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Gym als Therapie – wie dein Körper deinen Geist beeinflusst

Wie kann das Gym als Therapie genutzt werden? In diesem Artikel geht es um die Verbindung von Geist und Körper und warum Krafttraining eine günstige und effektive Form der Psychotherapie sein kann. Erfahre mehr über die positiven Auswirkungen des Trainings auf den Geist und wie man es zur Gewohnheit machen kann.

Inhalt

Was haben Therapie und Fitness gemeinsam?

Psychotherapeuten lassen sich ihren Beruf sehr gut bezahlen und das auch oft zu Recht. Die komplexen Zusammenhänge zwischen Biologie, sozialem Leben und eigener Wahrnehmung einer Person zu verstehen sind kein leichtes Unterfangen. Zudem kann eine gute Psychotherapie einen enormen Mehrwert für das Leben der Betroffenen (und deren Mitmenschen) haben.

In diesem Artikel soll es jedoch um einen anderen, günstigeren und eher verhaltens-theraupeutischen Ansatz gehen: Denn wir sind verkörperte Wesen. Auch wenn heutzutage oft „Mind over Matter“ gepredigt wird und die Kraft des Geistes außergewöhnlich ist, halte ich eine Trennung von Körper und Geist für falsch und sogar schädlich.

Denn wenn ich den Geist über den Körper stelle, dann arbeite ich nicht mit dem Werkzeug, das den Geist am besten beeinflussen kann: dem Körper.

Und so soll es in diesem Artikel um die Kopplung von Geist und Körper gehen und wieso die günstigste (und coolste?!)  Form der Psychotherapie möglicherweise das Krafttraining ist. (Das heißt nicht, dass eine Psychotherapie nicht nützlich oder sinnlos ist – sondern, dass der kleinste Schritt, unser Leben und unsere mentale Gesundheit zu verbessern, womöglich eher körperliches Training ist.)

Körper und Geist sind eins

In einer Zeit, in der wir immer weniger mit unseren Körpern arbeiten und viel vor unseren Bildschirmen sitzen, mag es einleuchtend sein, warum wir glauben, dass der Geist oder das Gehirn unsere wichtigsten Werkzeuge für ein gutes Leben sind. Ich stimme dem sogar zu – der Cortex ist beim Menschen am weitesten entwickelt und erlaubt die Gesetze der Natur zu verstehen. Dennoch unterliegt dieser Behauptung oft ein Irrtum, nämlich: Der Geist ist im Körper verankert. Unser Gehirn steckt nicht nur isoliert im Kopf, sondern ist über das Nervensystem in unserem gesamten Körper verteilt. Diese Verbindung wird oft nicht berücksichtigt, wenn wir unseren Geist in den Fokus rücken. Stattdessen versuchen wir rein kognitiv unsere psychologischen Probleme zu lösen, anstatt mit dem Werkzeug zu arbeiten, das unserer bewussten Kontrolle unterliegt: dem Körper und seiner gezielten Bewegung.

Die moderne Unbeweglichkeitsepidemie

Diese rein kognitive Sicht auf die Welt ist, betrachtet aus einer evolutionären Perspektive, ein modernes Phänomen. Bedeutet: Wir sind nicht dazu gemacht, uns nicht zu bewegen. Oder anders: In der gesamten Entwicklung des Lebens war Nicht-Bewegen eigentlich immer gleichbedeutend mit Krankheit, Angst oder Tod. Kranke Tiere bewegen sich nicht. Erschrockene Tiere erstarren. Und tote Tiere sind tot. Der Mensch ist dahingehend nicht anders.

Vielleicht ist es also kein Wunder, dass die Zahlen der Depressionen in den entwickelten Ländern rasant schnell in die Höhe schießen. Dort, wo man sich nicht bewegen muss, stirbt der Geist allmählich. (Auch wenn es hierfür sicherlich noch weitere Faktoren gibt, vor allem soziale Isolation.) Denn Bewegung heißt Energie – absichtlich etwas erreichen wollen – und ist biochemisch mit dem Motivationsgefühl verknüpft, das durch Dopamin ausgelöst wird. Natürlich kann ich auch am Computer ein Ziel verfolgen (beispielsweise diesen Artikel zu schreiben) und so den biochemischen Motivationsausstoß an etwas koppeln, das wenig Bewegung bedarf. Das ist das Geschenk des präfrontalen Kortex, der es uns ermöglicht, die Dopaminregulation flexibel zu konstruieren. Aber das heißt nicht, dass mein Körper dadurch vollkommen überwunden werden kann. Im Gegenteil – ein abstraktes Ziel wird durch einen gesunden Körper besser erreicht. Denn ein gesunder Körper schafft einen gesunden Geist und untersteht unserer freiwilligen Kontrolle.

Effekte von Gewichtstraining auf den Geist

Wie wirkt sich denn nun Pumpen auf den Geist aus?

Bevor wir in die Details gehen, erstmal eine abstrakte Sicht auf Muskeltraining.

Wenn ich mich anstrenge, meinen Körper bis zu dem Punkt der Erschöpfung zu strapazieren, füge ich meinem Körper Stress zu. Dieser Stress ist positiv, denn ich habe ihn mir freiwillig ausgesucht und nicht aufgezwungen. Ich möchte also bewirken, dass meine Muskeln wachsen. Ich werde somit zu mehr als ich bereits bin. Das heißt, ich strecke mich aus.

Das Spannende daran ist, dass die Freiwilligkeit des Stressors nicht dazu führt, dass ich keinen Schmerz empfinde, sondern dass ich das „Leid“ akzeptiere als notwendig um zu wachsen und dadurch ihn als sinnvoll empfinde. Biochemisch passiert das so: Freiwilliger Stress ist zwar weiterhin schmerzvoll, aber weil er in einen sinnvollen Kontext lebt (z.B. „Ich will gesund sein.“), pumpt der Körper uns mit Endorphinen voll und transformiert den Schmerz in eine positive Emotion. Dieser zweite Effekt fehlt bei negativem Schmerz vollkommen. Wir brauchen also sinnvollen Stress. Wir brauchen eine Geschichte.

Das hat man auch in Tierstudien herausgefunden. Ratten, die freiwillig laufen, erholen sich besser und haben mehr neuronales Wachstum als Ratten, die zu den gleichen Aktivitäten gezwungen werden. Dass dieser Effekt selbst bei Tieren stattfindet, die sehr wahrscheinlich nicht „denken“, zeigt, wie tief die Einstellung zu gewissen Handlungen verankert ist. Es ist kein rein kognitiver Zustand, sondern eine gefühlte Realität.

Aus diesem Grund glaube ich nicht, dass wir Stress- und Schmerzvermeidung in der Gesellschaft propagieren sollten, sondern wieder lernen müssen, positiven Stress zu leben. Aber Gesellschaftskritik mal beiseite. Wie sieht der Einfluss des Trainings konkret aus?

1) Angstzustände werden minimiert

Es ist recht gut dokumentiert, dass durch Krafttraining Angstzustände gelindert werden. Dieser phänomenologische Effekt ist oftmals das Ziel einer Psychotherapie. Wie das passiert, ist zwar komplex, aber von Bedeutung. Denn: 

Der Chemiecocktail wird aktiviert…

und Neurotransmitter wie Dopamin, Norepinephrin, Serotonin and Acetylcholin werden ausgeschüttet. Zwar macht jeder Neurotransmitter etwas anderes (Dopamin = Motivation, Serotonin = Zufriedenheit, Acetylcholin = Fokus, Norepinephrin = Aufmerksamkeit), aber ihre Aufgabe ist generell, Informationen im Nervensystem zu vermitteln. Das bedeutet abstrakt, die Kommunikation des Gehirns mit dem Körper und der Außenwelt wird intensiviert.  Und wenn Informationen fließen, …

lernen wir.

Informationsaustausch durch diese biochemische Kaskade bedeutet immer, dass neue Bahnen im Hirn entstehen und alte umgebaut werden. Auch deswegen ist sportliche Betätigung eine der besten präventiven Maßnahmen für kognitives Nachlassen von Krankheiten wie Alzheimer. Wie gesagt: Inaktivität ist quasi synonym für Tod.

2) Transformation des Seins

Der coolste Effekt ist jedoch nicht auf der Veränderung der Hirnbahnen, sondern auf genetischer Ebene:

Falls du dachtest, Gene sind in Stein gemeißelt, dann kommt jetzt die Revolution der letzten dreißig Jahre Biologie: Gene sind zwar nicht gänzlich veränderbar (nur in extremen Fällen und das ist auch gut so), aber sie haben so etwas wie einen chemischen An/Aus Schalter, die je nach Umweltbedingungen eingeschaltet werden.

Die bahnbrechende Entdeckung wurde bei Bienen gemacht: Alle Bienen einer Kolonie haben den selben biologischen Ursprung. Dennoch gibt es am Ende Arbeiter und Königin. Wie kommt es, dass, wenn alle das gleiche genetische Potenzial haben, die Entfaltung sich unterschiedlich gestaltet?

Gelee Royale!

Das „königliche“ Gelee ist dafür verantwortlich. Die Königsbienen haben sich aufgrund ihrer besonderen Nahrung zur Königin entwickelt. Gibt man den Arbeiterbienen im frühen Status ebenso dieses Gelee, werden auch sie zu Königinnen, indem bestimmte Gengruppen aktiviert werden.

Sport macht dich zwar nicht zum König/Königin (oder doch?!) aber auch hier werden mehrere hundert Gene in unserem System aktiviert. Dies führt dazu, dass sich die biochemischen Kaskaden in unserem Körper und Hirn verändern und somit auch unsere Sicht auf die Welt. Es gibt also gute Gründe für eine Move-First Therapie.

Wie mache ich Training zur Gewohnheit?

Die große Schwierigkeit ist jedoch, das Krafttraining zu einer richtigen Gewohnheit zu machen. Besonders in einer Zeit, in der wir permanent von neuen Stimuli gereizt sind, fällt es uns schwer, solche Opfer zu bringen.

Der Zaubertrick? Klein anfangen.

Ich bin ein großer Verfechter der Idee des exponentiellen Wachstums – das heißt, Dinge wachsen erst extrem langsam und dann dramatisch schnell. Diese Art des Wachstums nehmen wir selten wahr, aber im Endeffekt ist dieses Prinzip überall in der Natur und Mathematik zu finden. In der E-Funktion ist der Faktor Zeit immer wichtiger als der Faktor Intensität. Richtig gute Dinge brauchen Zeit und werden immer besser sein, als wenn man sich kurzzeitig intensiv streckt. Was hat das mit Pumpen zu tun?

Das hat so viel damit zu tun, dass man natürlich versuchen möchte, auch hier die E-Funktion zu nutzen. Bedeutet: Ich will nicht in einem Monat wie Arnold Schwarzenegger aussehen (vielleicht auch nie), sondern eher in 7 Jahren. Und dafür sind Konsistenz und Langfristigkeit notwendig. Heißt, ich muss Sport zu einer Gewohnheit machen – und deswegen hier drei Tipps, wie das gelingen kann.

1) Häufig aber kurz

James Clear, Autor von „Atomic Habits“ schreibt: „Wenn man mit einer Aktivität anfängt, sollte sie so klein (atomar) wie möglich sein, bevor ich aufs Optimale ziele.“ Er gibt ein Beispiel von jemanden, der mit dem Trainieren begonnen hat. Sein Ziel war es, täglich lediglich für 5 Minuten ins Fitnessstudio zu gehen (die Person ist natürlich meistens länger geblieben). Es ging jedoch darum, die Frequenz, zum Sport zu gehen, zu erhöhen und dabei die Energiebarriere so klein wie möglich zu machen, damit das Gehirn sich adaptieren kann.

2) Belohnung dabei

Isst du gerne Schokolade? Oder trinkst du gerne Kaffe? Mach das beim Sport – Koppel die Anstrengung mit einem positiven Feedback (Dopamin-Ausstoß). Du signalisierst dir damit, dass die Aktivität gut ist und Spaß macht. In der Verhaltenstherapie nennt man das „konditionieren“. Die anfängliche Motivation lässt zwar dabei irgendwann nach, aber für den Beginn einer neuen Gewohnheit ist die Kopplung von mögen und sollen sehr effektiv.

3) Social Reward

Unser Hirn ist sozial programmiert, deswegen ist eine große Quelle des Glücks, wie wir vom sozialen Umfeld gesehen werden. Deswegen kannst du die Motivation für eine Tätigkeit auch aus sozialen Interaktionen bekommen. Auch hier gibt es mehrere Möglichkeiten: Die effektivste ist vermutlich, sich einen Trainingspartner zu suchen, der wie du committed ist. Dadurch wird das Training zu einem sozialen Event. Eine andere Idee wäre es, deine Reise in den sozialen Medien zu teilen. Dadurch kannst du die digitale Community als Support betrachten, sowie eine Art Reisedokumentation für dich selbst haben. 

Aber Vorsicht: Wenn wir uns zu sehr von der Reputation des Außens abhängig machen, dann ist unsere eigentliche Motivation nicht das Training und gesunde Leben, sondern die Anerkennung im Außen. Dies gilt es vielleicht vorab zu klären.

Es geht also beim Sport nicht nur um einen gesunden und schönen Körper, sondern auch einen gesunden Geist.

Wir lernen beim Krafttraining, dass wir Widerstände überwinden können. Das signalisiert uns, dass wir uns mit dem in uns identifizieren, was Herausforderungen positiv meistert – heißt, wir können vom Sport abstrahieren, dass wir auch in anderen Lebensbereichen unsere Herausforderungen erreichen. Sport ist somit nicht nur eine Veränderung des Körpers, sondern auch eine des Geistes.

Autor
Dr. Patrick May wandelt philosophisch zwischen Größenwahn und Bescheidenheit. Er schreibt über Gott und die Business-Welt. Mit Goalimpact spielt er Moneyball im Fußball und vertritt die These: Fußball ist eine Religion.
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QUELLE: BDEW Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V.

 

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