Gute und schlechte Gedanken
Der Mensch hat im Laufe eines Tages etwa 60.000 bis 80.000 Gedanken. Das sind etwa 50 pro Minute. Wir alle denken ständig, aber wir denken selten darüber nach, dass wir denken. Wir sind uns also selten der Tatsache bewusst, dass wir denken. Daher laufen die meisten Gedanken auf Autopilot oder unbewusst ab. Das ist auch gut so, denn durch die Schaffung von Automatismen haben wir wieder freie Kapazitäten, um neue Gedanken und Verhaltensweisen zu lernen.
Das Problem ist aber, wenn der Autopilot falsch eingestellt ist.
Dann sehen wir die Welt mit getrübten Augen und fügen uns sozusagen selbst Schaden zu. Das liegt daran, dass wir negative Erfahrungen mit falschen Gedanken verknüpft haben. Das ist ein Urmuster jedes Menschen. Wir sind sozusagen aus dem Paradies vertrieben.
Zum Beispiel kann ein Kind, das von seinen Eltern verlassen wird, zu dem Schluss kommen, dass es nicht geliebt wird. Das Kind interpretiert die Erfahrung des Alleingelassenseins mit seiner eigenen Unvollkommenheit, anstatt zu erkennen, dass die Eltern in diesem Moment (oder in diesen Momenten) mit sich selbst und ihrer eigenen Verletzlichkeit unvollkommen waren. Es „denkt“ also: „Ich bin nicht gut genug.“ Je intensiver das Gefühl und je häufiger der Gedanke, desto tiefer bildet sich diese Nervenbahn, die Körper und Geist in Mitleidenschaft zieht.
Das Kind nimmt sozusagen die Schuld auf sich. Das jedoch fälschlicherweise. Dieses Urmuster steckt in jedem Menschen. Vielleicht sind wir deshalb im biblischen Sinne alle Sünder (harmartia = das Ziel verfehlen). Wir verfehlen das Ziel der Liebe. Und so ist es die Aufgabe eines jeden, diese Liebe und die Verbindung zum schöpferischen Leben wieder entstehen zu lassen.
(M)Ein Erfahrungsbericht
Nach einem traumatischen Erlebnis hatte ich mir einen Gedanken gepflanzt und ihn zu einem riesigen Baum von Überzeugungen wachsen lassen. Das Problem war, dass dieser Gedanke mir nicht diente, sondern mich völlig lähmte. Ich hatte ständig Zwangsvorstellungen und lag manchmal stundenlang nur so da, weil ich keine Kraft hatte, etwas anderes zu tun. Der Glaube hat mir wie ein Virus alle Energie geraubt. Es gab sogar Tage, an denen ich keinen Sinn mehr in meinem Dasein sah. Alles war grau.
Doch irgendwann stellte ich mir die Frage: Was ist ein guter, ein wahrer Gedanke? Und woran erkenne ich wahre Gedanken?
Die einzige Antwort, die mich befriedigte, war, dass der Gedanke mich in meinem Lebensgefühl bestärken muss. Ein Gedanke ist also gut, wenn er meinem Dasein Sinn gibt. Und Sinn hat sich so ausgedrückt, dass ich mein Leben wieder positiv sehe. Das ist mein Auswahlkriterium für gute Gedanken.
Aus dieser Erfahrung bin ich gestärkt hervorgegangen. Statt den Gedanken ausgeliefert zu sein, habe ich verstanden, dass wir unsere Gedanken, unsere Überzeugungen, unsere Geschichte und unsere Identität nicht willkürlich und von äußeren Umständen bestimmen lassen sollten, sondern kreativ und mutig an unserer Geschichte basteln sollten. Schließlich gibt es immer einen Interpretationsspielraum. Es gibt immer unterschiedliche Perspektiven. Unsere Aufgabe ist es, die richtigen einzunehmen. Und zwar die Guten.
Was uns nicht umbringt, macht uns stärker.
- Friedrich Nietzsche
Die allerbeste Geschichte
Wir nehmen die Welt perspektivisch als eine Geschichte wahr, in der wir der Hauptdarsteller sind. Wir erleben diese Geschichte, aber wir sind auch ihre Autoren.
Wir sollten aus unseren Möglichkeiten die beste aller Geschichten machen. Nicht umsonst ist die Heldenmythologie ein kulturell universelles Phänomen. Jede Kultur hat es verstanden, den Menschen eine Aufgabe und eine Berufung zu geben. Dafür sind Ideen unerlässlich. Sie sind sozusagen der Nährboden der Geschichte. Wir kommen nicht umhin, uns zu fragen:
Was ist die allerbeste, verrückteste, spannendste, aufregendste, schönste, wunderbarste, liebevollste, einzigartigste Geschichte, die nur ich schreiben kann?
Wer diese Frage beantworten kann, hat den Himmel auf Erden gefunden, denn er hat eine Beziehung zum Paradies geschaffen.