Der Funke
Als Chemiker habe ich viele Theorien darüber gelernt, wie sich Materie verändert. Eines der wichtigsten Konzepte ist die Aktivierungsenergie. Das ist die Energie, die benötigt wird, damit eine Reaktion überhaupt beginnt.
Stell dir vor, du machst ein Lagerfeuer. Damit das Holz brennt, musst du Energie in Form von Hitze zuführen. Wen du diese Energie zugeführt ist, brennen die Holzscheite von selbst weiter. Doch jeder, der einmal versucht hat, ein Feuer zu entzünden, weiß, dass es nicht so einfach ist. Das Brennen lässt sich nicht so leicht in Gang bringen, zumindest nicht ohne Hilfsmittel. Das Material widersteht dem Feuer in gewissem Maß, und das ist auch gut so. Sonst würden unsere Wälder ständig brennen. Die Energie, die zu Anfang überwunden werden muss, damit das Feuer richtig entfacht wird, ist also die erwähnte Aktivierungsenergie.
Die Aktivierungsenergie hat aber eine geniale Eigenschaft: Sie kann verringert (oder genauer gesagt übertragen) werden. Was machen wir also mit unserem Lagerfeuer? Wir nutzen ein leichter entflammbares Material als Wärmeleiter. Wissenschaftlich gesehen senken wir die Aktivierungsenergie also nicht direkt, sondern machen uns Hilfsmittel zunutze, die kontinuierlich Energie in das Holz bringen können. Diese Hilfsmittel nennt man Katalysatoren.
Entzünde dein Feuer
Diese Idee kann nicht nur angewendet werden, um Moleküle zu transformieren, sondern auch, um unser eigenes Verhalten zu ändern. James Clear erklärt in seinem Meisterwerk „Atomic Habits“ die wichtigste Regel, um Gewohnheiten zu bilden: Halte es einfach. Das bedeutet, die Handlung so klein zu machen, dass sie keinerlei Anstrengung erfordert. Es ist das psychologische Äquivalent zum chemischen Katalysator. Der richtige Weg ist der, der so wenig Aufwand benötigt, dass es lächerlich scheint. Mach es so klein, dass die Handlung unweigerlich folgt.
Mache die Handlung so klein, dass der Beginn keinerlei Anstrengung erfordert.
– Dr. Patrick May
Dieses Prinzip verstehen wir zwar intuitiv, setzten es aber selten um. Warum ist das so? Ich denke, dass wir häufig die Kraft des exponentiellen Wachstums unterschätzen. Durch Ausdauer wachsen Dinge. Zeit multipliziert Erfolge. Wir sollten nicht die Intensität erhöhen, sondern unsere Ausdauer optimieren. Geduld ist die Mutter aller Tugenden. Alle guten Dinge brauchen Zeit. Wie Bill Gates es ausdrückt: „Die meisten Menschen überschätzen, was sie in einem Jahr tun können und unterschätzen, was sie in zehn Jahren tun können.“
Und mit dieser Perspektive sind kleine Dinge nicht mehr so klein. Statt winzige Schritte kleinzureden, sollten wir sie als den Anfang von etwas Großartigem schätzen. Setze deine eigene Reaktion in Gang. Multipliziere geringen Aufwand mit immenser Geduld. Dann wird das Kleine unweigerlich zu etwas Großem.