Die Falle der Prokrastination
Sicher hast du das auch schon erlebt. Du nimmst dir vor, eine Präsentation zu erstellen, um deine Kollegen mit deiner Begeisterung anzustecken – aber obwohl du top informiert bist, scheint dir die Herausforderung zu groß. Du möchtest ein Stück auf dem Klavier spielen, doch jedes Mal, wenn du die Noten aus dem Ordner holst, blockiert dein Gehirn. Irgendetwas in dir hält dich davon ab, die Dinge, die du doch tun möchtest, einfach durchzuziehen. Du prokrastinierst.
Prokrastination ist nicht nur, wie viele vermuten, mangelnde Motivation. Die Falle, die uns sowohl im Alltag als auch im Business immer wieder auflauert, ist mehr als ein Gefühl. Der sogenannte „Approach-Avoidance-Conflikt” (Annäherungs-Vermeidungs-Konflikt) führt zu einem chemischen Krieg in unserem Gehirn. Wir sind zwar extrem motiviert, eine Aufgabe zu erledigen, können uns aber gleichzeitig einfach nicht dazu überreden, es tatsächlich zu tun. Prokrastination nennt man die Situation, in der wir uns trotz hohem Antrieb in einem inaktiven Zustand befinden.
Neurochemisch läuft das folgenderweise ab: Durch unsere hohe Motivation werden die dopaminreichen Bereiche des Gehirns aktiviert. Diese sind verbunden mit Belohnung, Freude und Aktion. Gleichzeitig ist aber auch das Vermeidungs-System aktiv, welches Cortisol ausschüttet und uns so in einen Zustand von Angst und Passivität führt. Dieser Widerspruch führt zu einem inneren Zustand der Anspannung – und genau das ist es, was Prokrastination so qualvoll macht.
Rian Doris, Co-Founder & CEO von „Flow Research Collective“, stellt in einem Video drei Arten von Prokrastination vor. Trägheit tritt dann auf, wenn du Aufgaben zu tun hast, aber nicht damit anfängst. Obwohl du für deine Arbeit bezahlt wirst und sie dir sogar Spaß macht, kannst du dich einfach nicht dazu überreden, sie tatsächlich zu tun. Die zweite Form von Prokrastination ist die Ablenkung. In diesem Fall hast du eine Aufgabe zwar begonnen, wirst dann aber dauerhaft von unwichtigen Kleinigkeiten aufgehalten. Die Zeit verstreicht und am Ende bist du zu gestresst, um deinen Prioritäten nachzugehen. Etwas anderes zu tun, bereitet dir aber ein schlechtes Gewissen. Eine weitere Art von Prokrastination ist das ständige Verschieben der Aufgabe. Dadurch, dass du sie ständig auf später verlegst, kannst du weder vorankommen noch Fortschritte machen.
Der Flow-Zyklus
Der Flow-Zustand ist der Zustand, in dem du dich am besten fühlst, voll bewusst bist und optimal funktionierst. Du vergisst die Zeit und bist unfassbar produktiv. Du setzt dich an den Schreibtisch und auf einmal ist die Präsentation erledigt. Du bist so in dein Klavierspiel vertieft, dass auf einmal drei Stunden vergangen sind.
Im Gegensatz zu allgemeinen Annahmen ist dieser Zustand aber kein Schalter, den du einfach an- und ausschalten kannst. Er ist Teil des sogenanntes „Flow-Zyklus“. Dieser besteht aus vier Phasen:
Anstrengung (Unbequemlichkeit und Angst vor der Aufgabe)
Erleichterung (folgt bei Aktivbleiben trotz der Anstrengung)
Flow (voller Fokus, extrem hohe Produktivität)
Erholung (Ausgleich der neurochemischen Aktivitäten im Gehirn)
Der Flow-Zyklus zeigt, dass du bewusst auf den Flow-Zustand zugreifen kannst. Statt einem bloßen An/Aus-Zustand ist er Teil einer Reaktionskette. Wenn du also dran bleibst und es schaffst, die anfängliche Anstrengung zu überwinden, beginnt dein Gehirn, Endorphine freizusetzen. Der Druck verschwindet. Das Erledigen deiner Arbeit geht plötzlich so leicht wie ein heißes Messer durch Butter. Flow ist die perfekte Balance zwischen Herausforderung und deinen Fähigkeiten. Die vielen neurochemischen Vorgänge in deinem Gehirn ermöglichen es dir, unglaublich produktiv und effizient zu arbeiten.
Wie du den Flow-Zustand findest
Um in den Flow-Zustand zu kommen, ist es wichtig, dass deine Fähigkeiten und die Herausforderung deiner Aufgabe im optimalen Verhältnis zueinander stehen. Ist die Herausforderung zu hoch, bist du überwältigt. Ist sie zu niedrig, bist du gelangweilt. Das Level der Herausforderung sollte deine momentanen Skills etwas übersteigen, sodass du gefordert, aber nicht überfordert bist. Das Zugreifen auf den Flow-Zustand wird mithilfe von einigen Tricks deutlich einfacher.
1. Mikroskopisch kleine Ziele
Je anstrengender es ist, deine Arbeit anzufangen, desto wahrscheinlicher wirst du prokrastinieren. Um die Anstrengung also so klein wie möglich zu halten, kannst du dir winzige Ziele setzen. Teile deine Aufgabe in Unteraufgaben ein. Diese sollten in maximal einer Stunde zu erledigen sein, können aber auch lächerlich klein sein – beispielsweise deinen Laptop aufklappen, dein Passwort eingeben und PowerPoint öffnen. Hauptsache, deine Ziele sind so leicht zu erreichen, dass sie keine Hürde darstellen.
2. Definiere den Umfang
Ungewissheit ist dein größter Feind. Wenn du nicht weißt, was du überhaupt tun musst und wie groß der Umfang deiner Aufgabe ist, steigt die Herausforderung, die du spürst, um ein Vielfaches. Nimm dir also vor Beginn deiner Arbeit einen Moment, um ihren zeitlichen Umfang zu definieren und dir klarzumachen, was eigentlich genau zu tun ist.
3. Eliminiere Unterbrechungen
Wenn du weißt, dass du jeden Moment von deinen Kollegen, einer wichtigen E-Mail oder Umgebungsgeräuschen aus dem Flow gerissen werden könntest, wird er wahrscheinlich gar nicht erst eintreten. Ob es also das Stummschalten deiner Geräte, ein „Bitte nicht stören“-Schild an deiner Bürotür oder Noise Cancelling-Kopfhörer sind: Stelle sicher, dass du ausreichend Zeit und Ruhe hast, um den Flow-Zustand wirklich auszunutzen. Auch das Zurückziehen an einen ruhigen Ort mit angenehmer Arbeitsatmosphäre kann dir dabei helfen.
Prokrastination ist natürlich, aber optional.
– Rian Doris
Prokrastination ist mehr als das Aufschieben von wichtigen Aufgaben. Sie ist kein unbesiegbarer Feind, sondern ein Signal, auf das du achten solltest. Egal, wie schwierig deine Aufgabe dir im Moment erscheint: Lass dich inspirieren, die Falle der Prokrastination zu erkennen und etabliere neue Verhaltensweisen. Indem du bewusst auf deine Signale achtest und entsprechend reagierst, kannst du von der Prokrastination zum Flow gelangen.
Wenn du das Thema vertiefen möchtest, kannst du hier das Video von Rian Doris anschauen: