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Autos sind Männersache? Rebeca Delgado überzeugt vom Gegenteil!

Wusstest du, dass viele Innovationen der Automobilbranche Frauen zu verdanken sind? Zum Beispiel die Erfindung des Blinkers oder Rückspiegels im 19. und frühen 20. Jahrhundert. Wie sieht es heute mit technologischen Entwicklungen aus und welche Rolle spielt die weibliche Komponente dabei? Dies beleuchtet Rebeca Delgado von Intel Automotive im Interview.

Inhalt

Frauen gestalten die Zukunft der Mobilität

Die Digitalisierung, klimafreundliche Verkehrskonzepte, alternative Antriebe und autonomes Fahren treiben signifikante Veränderungen in der Automobilbranche voran. Vielfach ist der Bereich noch in Männerhand, vor allem auf technischer und Entwicklungsseite. Aber das ändert sich gerade. Dies hat verschiedene Gründe, die weit über die gesetzlich vorgeschriebene Frauenquote hinausgehen. Es fängt in der Schule an – mit zahlreichen Initiativen, um Mädchen für Technik und IT zu begeistern, zum Beispiel am alljährlichen Girls Day. Außerdem sind mit der Digitalisierung viele neue und spannende Berufsbilder verbunden, die zunehmend auch Frauen für sich entdecken. Nachhaltigkeit und Elektromobilität spielen hier eine wichtige Rolle. Studien zeigen, dass diese Themen Frauen stärker am Herzen liegen als Männern. Frauen sehen es als ihre Aufgabe, für eine lebenswerte Zukunft und eine gesunde Umwelt für ihre Kinder zu sorgen. Deshalb setzen sie sich vermehrt auch beruflich für diese Ziele ein. Fest steht: Die Transformation der Automobilindustrie müssen wir gemeinsam gestalten. Das volle Potenzial technologischen Fortschritts lässt sich nur in einer vielfältigen und inklusiven Arbeitskultur erreichen. So übernehmen Frauen auch verstärkt Führungsverantwortung in zukunftsträchtigen Bereichen wie KI-Sprachassistenten für das Cockpit, Sicherheit im Straßenverkehr, Software-gesteuerte Fahrzeuge oder Energieeffizienz für Elektroautos. In einer Zeit, in der sich die Automobilindustrie komplett neu erfinden muss, braucht es möglichst vielfältige Sichtweisen und Out-of-the-Box-Denken. Und hier tragen Frauen einen ganz entscheidenden Teil dazu bei, wie die Leiterin der Technologieabteilung und KI-Entwicklung bei Intel Automotive Rebeca Delgado zu berichten weiß. Sie selbst ist bestes Beispiel.

Interview

Redaktionsteam
Wie sehen Sie die aktuelle Situation von Frauen in der Technologiebranche und welche Fortschritte gab es in den letzten Jahren?

Rebeca Delgado
Es gibt natürlich weiterhin noch sehr viel Raum für Verbesserungen. Nichtsdestotrotz hat sich in den vergangenen Jahren eine Menge getan in Sachen Gleichbehandlung. Noch vor einem Jahrzehnt waren Frauen in technischen und Führungspositionen kaum vertreten. Dass sich das mittlerweile, wenn auch langsam, ändert, lässt sich auch bei Intel beobachten. Unser Vorstand ist schon seit längerer Zeit zu einem Drittel mit Frauen besetzt. Bis 2030 haben wir uns außerdem zum Ziel gesetzt, den Anteil an Frauen in technischen Positionen auf 40 Prozent zu erhöhen. Ein ambitionierter, aber absolut realisierbarer Vorsatz. Und auch beim Thema faire Bezahlung konnten wir bei Intel bereits deutliche Fortschritte verzeichnen. So erreichte die weltweite Fertigungsorganisation schon 2019 die Lohngleichheit zwischen den Geschlechtern.

Inwieweit das repräsentativ für die gesamte Branche ist, kann ich nicht abschließend beurteilen. Aber ich habe durchaus den Eindruck, dass ein Umdenken stattgefunden hat und wir uns die richtige Richtung bewegen. Unternehmen erkennen zunehmend den Wert der Diversität. Sie setzen auf vielfältige Teams, um innovative Lösungen zu entwickeln. Dank gezielter Initiativen und Programme, die darauf abzielen, Frauen für MINT-Berufe, also für die Bereiche Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik, zu begeistern, sehen wir eine stetige Zunahme weiblicher Talente.

Sie machen Karriere in einer absoluten Männerdomäne. Wie kam es dazu und wie sind Ihre persönlichen Erfahrungen?

Meine Leidenschaft für Technologie und Innovation hat mich immer angetrieben. Ich wollte Neues entdecken, verstehen, wie Dinge funktionieren – und sie verbessern. Dass ich damit in klassischerweise von Männern dominierten Felder vorstoße, ob in der Computertechnik, der Robotik oder wie aktuell in der Automobilindustrie, hat für mich ehrlicherweise nie eine große Rolle gespielt.

Trotzdem war es sicherlich nicht immer leicht, sich als Frau durchzusetzen. Vorurteile gibt es überall. Das habe ich schon in meiner Zeit an der Uni gespürt, sowohl in Mexiko als auch in den USA. Es gab definitiv Höhen und Tiefen. Aber schwierige Phasen sind immer auch eine Gelegenheit, Widerstände zu überwinden und sich persönlich weiterzuentwickeln. Ich denke, das war auch mein Erfolgsrezept: hart zu arbeiten, offen für Neues zu sein und mich kontinuierlich verbessern zu wollen. Zudem habe ich immer Unterstützung von Mentoren und Kolleginnen und Kollegen erhalten, die an meine Fähigkeiten glaubten. Heute kann ich sagen, dass die Branche insgesamt offener und inklusiver geworden ist. IT ist längst kein reines Männerthema mehr. Das macht es Frauen leichter, Verantwortung zu übernehmen und Innovationen mitzugestalten.

Die Transformation der Automobilindustrie müssen wir gemeinsam gestalten.

Wie können diverse Teams, insbesondere mit einem höheren Frauenanteil, zur Entwicklung besserer und innovativerer Lösungen im Automotive-Sektor beitragen?

Diverse Teams können eine Vielzahl von Perspektiven, Ideen und Lösungsansätzen einbringen. Frauen stellen andere Fragen als Männer. Ihnen liegen andere Themen stärker am Herzen, darunter Nachhaltigkeit, Sicherheit und Zukunftsfähigkeit, und sie betrachten Herausforderungen aus anderen Blickwinkeln. Das kann zu kreativeren und effizienteren Lösungen führen, wie zahlreiche Studien belegen. In der Automobilindustrie, die sich gerade in einer Phase radikaler Transformation befindet, sind solche neuen Ansätze – außerhalb eingefahrener Denkmuster – aktuell besonders wertvoll.

Ein höherer Frauenanteil bedeutet zudem auch, dass Produkte entwickelt werden, die besser auf die Bedürfnisse einer breiteren Kundschaft abgestimmt sind. Schließlich können Frauen am besten beurteilen, was Frauen schätzen. Dies führt letztlich zu einer höheren Kundenzufriedenheit und einer stärkeren Marktposition.

Sie sprechen vor allem über das Thema IT. Inwiefern ist das relevant für die Autobranche? Auf welche Fähigkeiten wird es in Zukunft ankommen?

Autos verändern sich in ihrer Entwicklung und Architektur gerade fundamental. Der Wandel von der herkömmlichen Fahrzeugen zum intelligenten, skalierbaren und nachhaltigen Computer ist in vollem Gange. Autos definieren sich in Zukunft viel stärker über Software und Mikrochips als über Mechanik und Motorleistung. Dementsprechend verändern sich auch die Anforderungen an Ingenieure und Ingenieurinnen. Gefragt ist nicht länger nur Expertise in Sachen Maschinenbau und Elektrotechnik – sondern es braucht vor allem auch IT-Kenntnisse, um ganzheitliche und vernetzte softwarebasierte Fahrzeugarchitekturen zu ermöglichen.

Wie wird das Fahrerlebnis der Zukunft aussehen?

Es wird sich deutlich vom heutigen Fahrerlebnis unterscheiden. Vor allem wird es sehr viel stärker personalisiert sein. Abgestimmt auf die Person am Steuer und deren Vorlieben. Neue Features und regelmäßige Software-Updates, die jederzeit und von überall aus eingespielt werden können, machen das Auto individuell konfigurierbar.

Wir sprechen dabei von einer ganz neuen „In-Cockpit-Experience“. Sie wird geprägt sein durch personalisierte Entertainment-Systeme und bequeme Services auf Basis von künstlicher Intelligenz. Wie zum Beispiel einem KI-basierten Sprachassistenten. Aber es wird auch mehrere multifunktionale Bildschirme geben, 3D-Benutzeroberflächen oder Navigation via Augmented-Reality. Und das alles wird natürlich nicht auf Kosten der Sicherheit passieren. Denn gleichzeitig überwacht die Technologie Fahrzeug und Fahrerinnen und Fahrer verlässlich.

Das Auto der Zukunft ist vor allem eins: Personalisiert.

Nachhaltigkeit und Elektromobilität sind zentrale Themen im Automobilsektor. Gleichzeitig gibt es viel Diskussion um die Batterien der E-Autos. Wie sieht aus Ihrer Sicht ein Lösungsansatz aus?

Keine Frage: Die Batterien in Elektroautos lassen in Sachen Akkulaufzeit und Langlebigkeit momentan noch zu wünschen übrig. Damit eine wirklich nachhaltige Lieferkette entstehen kann, muss das Energiemanagement innerhalb des Fahrzeugs deutlich effizienter werden. Aus meiner Sicht müsste die Branche dazu an drei Hebeln ansetzen.

Erstens an der Batterie selbst. Reichweite und Lebensdauer sollen natürlich weiter verbessert werden. Um Energie im Gesamtsystem einzusparen, muss die Batterie aber gleichzeitig kleiner und leichter, und damit auch günstiger, werden. Zweitens an der Komplexität der Fahrzeugarchitektur. Denn die Zahl der elektronischen Komponenten, die jeweils unabhängig voneinander Energie verbrauchen, wächst aktuell immer weiter. Und drittens über eine, bisher noch überhaupt nicht vorhandene, Standardisierung des Energiemanagements in der Automobilbranche. Denn mit gebündelten Kräften lassen sich viel schneller Innovationen und zukunftsfähige Lösungen entwickeln.

Intel beteiligt sich aktuell federführend an der Entwicklung eines industrieweiten Standards, von dem alle Hersteller profitieren sollen. Diese neue internationale Norm zielt vor allem auf ein zentrales Energiemanagement ab, das den Energieverbrauch der einzelnen Komponenten intelligent steuert, abhängig von der jeweiligen Fahrsituation.

Es handelt sich um einen Ansatz, der sich Erfahrungen aus der PC-Branche zunutze macht. Ein offener Standard hat, ebenfalls mithilfe eines zentralisierten Batteriemanagements, erheblich dazu beigetragen, den Stromverbrauch von Laptops um bis zu 60 Prozent zu senken. Auch in dieser Hinsicht überträgt sich IT-Expertise nach und nach in die Autobranche.

Können Sie ein Beispiel dafür geben, wie Frauen innovative Ideen und Perspektiven eingebracht haben, die einen großen Einfluss hatten?

Die Technik-Geschichte ist voll von Frauen, die mit ihren Erfindungen Dinge besser, schneller oder sicherer gemacht haben. Das gilt nicht zuletzt auch für die Automobilindustrie. Zum Beispiel kam die Idee für den Rückspiegel von der Rennfahrerin Dorothy Levitt. Die erste Autoheizung war eine Erfindung der Ingenieurin Margaret Wilcox. Und auch der Blinker und der Mittelstreifen gehen auf die Ideen von Frauen zurück.

Trotzdem betrachten wir diese Frauen heute als frühe Exotinnen in einer Männerdomäne, als kuriose Ausnahmen. Wünschenswert wäre es, wenn wir es als ganz normal empfinden, dass Frauen Innovationen entwickeln und vorantreiben. Schließlich haben Ideenreichtum und Expertise nichts mit dem Geschlecht zu tun.

Bei Intel erlebe ich Tag für Tag viele außergewöhnliche Frauen, nicht nur auf Führungsebene, sondern quer über alle Joblevels. Ohne sie wären die Erfolge und technischen Errungenschaften der vergangenen Jahre und Jahrzehnte nicht möglich gewesen.

Die Geschichte ist voll von Erfindungen, die auf Frauen zurückgehen.

Es liegt ja nicht (nur) am mangelnden Willen der Arbeitgeber, dass bislang nur relativ wenige Frauen in Führungspositionen bei Technologieunternehmen arbeiten. Was können Wirtschaft und Politik tun, damit sich mehr Frauen für technische Berufe interessieren?

Wir brauchen in der Tat einen möglichst ganzheitlichen Blick. Nur dann schaffen wir nachhaltige Veränderungen. Das fängt schon in der Schule an. Der Unterricht könnte viel praxisnäher und stärker darauf ausgerichtet sein, Begeisterung für Technik zu wecken. Mädchen, die Interesse an MINT-Themen zeigen, sollten darin aktiv gefördert werden. Wir müssen sie von Anfang an ermutigen, auch Optionen außerhalb der „traditionellen“ Karrierepfade in Betracht zu ziehen. Initiativen wie der jährliche internationale Girls‘ Day sind für Jugendliche eine gute Gelegenheit, um in den Arbeitsalltag hineinzuschnuppern und festzustellen, ob eine Karriere im Tech-Umfeld das richtige sein könnte. Dieses Mindset sollte sich aber nicht nur auf einen Tag im Jahr beschränken. Wir müssen insgesamt viel offener mit dem Thema umgehen. Und natürlich ist es wünschenswert, dass die Politik auch weiterhin und noch stärker als bisher gleiche Chancen und gleiches Bezahlen in der Arbeitswelt fördert.

Auch die Unternehmen können eine Menge tun. Zum Beispiel beim Vorstellungsgespräch. Frauen gehen oft anders in solche Situationen als Männer. Empathischer darauf einzugehen und Unterschiede zu akzeptieren, kann sich positiv auf das Recruiting auswirken. Denn ich bin davon überzeugt: Es gibt bereits ausreichend weibliche Talente da draußen. Sie müssen aber auch gefunden werden.

Eine inklusive Unternehmenskultur ist heutzutage, schon allein mit Blick auf den Fachkräftemangel, geradezu unumgänglich. Vielfalt muss im Arbeitsalltag und auch von der Führungsebene gelebt werden. Ganz konkret können zudem Mentoring-Programme und Netzwerke helfen, Frauen zu fördern und ihnen den Einstieg in technische Berufe zu erleichtern. Ich selbst setze mich in diesem Bereich seit vielen Jahren stark ein, beispielsweise als Mitglied des Vorstands in unserer Women at Intel Employee Resource Group. Ich gebe meine Erfahrung gerne weiter und kann so hoffentlich junge Frauen ermutigen, einen ähnlichen Weg einzuschlagen, wie ich es getan habe. Schließlich möchte ich, dass meine Tochter in einer Welt aufwächst, in der Frauen ganz selbstverständlich Führungspositionen auch in technischen Berufen übernehmen.

Wie beurteilen Sie die Zukunftsaussichten? Wie lange wird es dauern, bis sich in Sachen Vielfalt wirklich etwas ändert?

Die Zukunftsaussichten schätze ich als größtenteils positiv ein. Die Fortschritte, die wir bisher gesehen haben, sind ermutigend. Aber klar: Es gibt auch noch viel zu tun. Es wird noch einiges an Zeit und kontinuierliche Anstrengungen erfordern, um echte Vielfalt zu erreichen. Wenn Unternehmen und Regierungen und auch wir als Gesellschaft aber weiterhin konsequent auf Diversität setzen, lassen sich auch in kurzer Zeit Erfolge erzielen. Auch wenn es ein wenig abgedroschen klingt: Der Weg zu einer inklusiven und vielfältigen Arbeitskultur ist eine fortlaufende Reise, bei der jeder Schritt zählt.

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QUELLE: BDEW Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V.