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Reflexionsfähigkeit – ein wesentliches Führungstool

Reflexionsfähigkeit ist unverzichtbar, wenn es um Führung geht. Doch warum ist es so wichtig, unser Verhalten, unsere Motive und Emotionen zu reflektieren? Wie können wir durch Selbstreflexion eine positive Arbeitskultur schaffen? Entdecke die Bedeutung der Reflexion und erfahre, wie sie zu einer besseren Führung und Zusammenarbeit führen kann.

Inhalt

Weißt du, was du tust?

Grundsätzlich ist es ein geiles Gefühl, die Wahl zu haben. Aber erst, wenn ich mein Verhalten, meine Gefühle, meine Einsichten und Absichten reflektiere, kann ich aktiv entscheiden, wie ich mich verhalte und was ich tue. Aus dem Bauch heraus rein intuitiv zu handeln ist oft gut und richtig… aber eben nicht immer. Ich kann intuitiv viel richtig machen, aber auch vieles falsch.

Besser ist, du weißt, was du tust. Insbesondere dann, wenn du Verantwortung für andere Menschen trägst.

Grundsätzlich sollte es dir nicht egal sein, wie du auf andere wirkst und auch nicht, was dein Verhalten oder deine Art zu kommunizieren auslösen könnte – weder als Führungskraft noch als Mensch. Die Konsequenzen deines Handelns zu überdenken und die Verantwortung für deine Gefühle zu übernehmen ist praktisch gelebte Wertschätzung an andere und an dich selbst.

Was bedeutet Reflexion?

Einmal sicherlich die Analyse und die Prüfung einer Situation. Als Schwerpunkt geht es mir aber heute um die Auseinandersetzung mit deiner Selbstführung und der Analyse deiner eigenen Motive, Einstellungen, Handlungen, Absichten und Gefühlen – ohne in energieraubendes Grübeln zu verfallen. Selbstreflexion umfasst den Blick für das große Ganze, sie ermöglicht statt einer eindimensionalen eine mehrdimensionale Sichtweise. So kannst du deine Rolle und dein Verhalten in herausfordernden Situationen analysieren, aber auch andere Meinungen überprüfen.

Hast du schonmal den Mut gehabt, dich ernsthaft zu fragen, wie es deinen Mitmenschen mit dir geht?

Oder als Führungskraft, wie geht es eigentlich deinen Mitarbeitern mit dir? Welche Rückmeldung erhältst du?

In meiner Arbeit mit Führungskräften wird diese Frage: „Wie geht es eigentlich deinen Mitarbeitern mit dir?“ oft lediglich mit „gut“ beantwortet. Wenn ich nachfrage, wie es zu diesem „gut“ kommt, bekomme ich in der Regel die Antwort: „Ja, das merkt man doch“ – die Betonung liegt hierbei auf dem „man“. Die Formulierung „man“ zu verwenden ist leider in der Sprachverwendung normal geworden. Denn wenn ich über den „man“ spreche und nicht direkt über mich, schaffe ich Distanz und gehe davon aus, dass alle anderen den Sachverhalt auch so sehen und dann muss es ja richtig sein…

In der Außenwirkung macht es aber ein riesigen Unterschied, ob ich sage: „Das merkt man doch!“ oder „Ich sehe das so. Ich weiß, wie meine Mitarbeiter mich sehen.“ Ich kann zu meiner Überzeugung stehen und wirke authentisch und klar. Ich werde greifbar.

Wenn du als Führungskraft bereit bist, ein Feedback über dich einzuholen, ist es wichtig, das Gesagte als die Wahrnehmung des Anderen anzunehmen und dich nicht zu rechtfertigen oder zu verteidigen. So werden deine Mitarbeiter dir immer mehr vertrauen. Und wenn gegenseitiges Vertrauen aufgebaut ist, kann auch der Mitarbeiter dein Feedback annehmen, selbst, wenn es kritisch ist.

Nur, wenn du den Mut hast, dein eigenes Führungsverhalten zu reflektieren und zu hinterfragen – und es dann anzupassen –, kannst du eine offene Gesprächskultur erschaffen.

Reflektiere deine Intentionen

Allein die Frage: „Warum bist du Führungskraft geworden?“ ist spannend, näher beleuchtet zu werden.

Geht es um Macht, um Glanz oder einfach ums Geld, geht es darum, sich nichts mehr sagen zu lassen oder darum, eine Erwartung zu erfüllen? Oder war es einfach so im Unternehmen, dass du aufgrund deiner Betriebszugehörigkeit an der Reihe warst, die Führungsposition einzunehmen?

Was war deine Motivation, diese Entscheidung zu treffen? Wenn du diese Frage für dich ehrlich beantworten kannst, sagt das viel über deine Motive aus – aber vielleicht nicht unbedingt etwas darüber, dass du wirklich Freude daran hast, Menschen zu führen.

Wenn viele Führungskräfte sich diese Frage vor der beruflichen Entscheidung stellen würden, wäre im Arbeitsalltag so manches einfacher.

Reflektiere deine Emotionen

Gefühle zu reflektieren bedeutet auch, diese wahrzunehmen, richtig einordnen zu können und das eigene Verhalten daran anzupassen.

Die Übereinstimmung von Selbst- und Fremdbild sind wesentliche Voraussetzungen, um angemessen mit anderen umgehen zu können. Je höher die Übereinstimmung von Selbst-und Fremdwahrnehmung ist, desto einfacher gestalten sich Beziehungen.

Hierzu ein Alltagsbeispiel:

In einem Unternehmen sind die Zahlen schlecht, der Vorstand kommuniziert die schlechten Zahlen an den Geschäftsführer. Im Geschäftsführer werden unterschiedlichste Ängste aktiviert: Versagensängste, Existenzängste, Zukunftsängste, etc.

Wenn er sich seiner eigenen Ängste nicht bewusst ist, wird er diese in Form von Druck und Appellen auf sein Führungsteam übertragen. „Wir müssen jetzt aber mal…“, „Ich erwarte von allen…“, „Was glaubt ihr, was passiert, wenn sich die Zahlen nicht bessern?“ Dieser Druck zieht sich durch alle Ebenen. Wie wird sich der Produktionsmitarbeiter fühlen? In solchen Situationen sind dann häufig hohe Krankenstände, Demotivation, Frust und Resignation zu finden.

Ist der Geschäftsführer sich allerdings seiner Ängste bewusst und übernimmt die Verantwortung für seine Gefühle, hat er andere Handlungsoptionen. Er wird sich mit seinem Führungsteam zusammensetzten, im Team nach Lösungen suchen, motivieren und fördern. Der Mitarbeiter fühlt sich gehört, gesehen und wahrgenommen.

Reflektiere, was du kommunizierst

Was löst deine Art zu kommunizieren bei deinem Mitarbeiter aus?

Destruktive Kommunikation und ein mangelndes Rollenverständnis wirken sich ebenfalls negativ auf dein Team aus. Dazu ein anderes Beispiel.

Die Geschäftsführung hat eine Entscheidung getroffen, die vielleicht nicht unbedingt deine gewesen wäre. Diese soll nun an dein Team kommuniziert werden. Du teilst nun in einem Meeting die Entscheidung mit, mit den Worten: „Wir müssen das jetzt so machen, ich hätte es auch lieber anders, kommt von ganz oben…“

Reflexionsfähigkeit würde bedeuten, du machst dir Gedanken, wie die Entscheidung in der Rolle kommuniziert werden muss. Denn als Führungskraft ist es deine Aufgabe, eine Brücke zu bauen und zu verbinden. Du bist einerseits Vertreter des Unternehmens, anderseits solltest du deinen Mitarbeitern mit klarer Kommunikation Sicherheit vermitteln. Ansonsten läufst du Gefahr, eine Spaltung zu provozieren: die da oben – wir da unten. Für das Wir-Gefühl des Unternehmens eine denkbar schlechte Ausgangsposition.

„Wir müssen das jetzt so machen“ bedeutet in der Art und Weise der Kommunikation: „Ich stehe auch nicht dahinter, also braucht ihr das auch nicht so ernst zu nehmen.“ Dann sind mangelnde Umsetzungskraft und Demotivation kein Wunder.

Ist die Führungskraft mit der Entscheidung der Geschäftsführung nicht einverstanden, muss sie dies an entsprechender Stelle kommunizieren und im besten Falle einen gemeinsamen Konsens finden. Gibt es eine solche Übereinstimmung oder zumindest ein Verständnis für die Entscheidung, kann ich eine andere Haltung einnehmen und auch besser kommunizieren: „Die Entscheidung wurde aus folgenden Gründen getroffen. Wir sitzen als Team alle in einem Boot, nun lasst uns gemeinsam überlegen, wie wir das umsetzten können.“

Reflektiere deine Ausstrahlung

Wie wirkt sich dein Verhalten auf die Mitarbeiter aus?

Angenommen, die Führungskraft ist ein Morgenmuffel und bekommt morgens kaum ein guten Morgen noch ein Lächeln heraus. Dein Team wird ein solches Verhalten nicht realistisch analysieren, sondern irgendetwas hineininterpretieren – „Wie, was ist dem denn über die Leber gelaufen?“, „Hat er wieder Stress mit seiner Frau?“ oder Ähnliches.

Bist du dir deines Verhaltens bewusst? Oder hast du noch nie darüber nachgedacht, was deine Morgenmuffeligkeit beim Team auslösen könnte? Stell dir die Frage: Löst dein Verhalten im Team gute oder schlechte Gefühle aus? In dem Moment, wo du darüber nachdenkst und dir ein Verhalten bewusst machst, hast du die Möglichkeit, dein Verhalten zu verändern.

Dem Unerledigten in dir auf die Spur zu kommen kann das Leben ungemein erleichtern. Es ist wichtig, dass du dich fragst: Bin ich ein Teil der Lösung oder Teil des Problems? Erkennst du, dass du auch etwas zum Problem beizutragen hast, ist die Lösung nicht nur im Außen zu finden.

Manchmal ist es auch gut, sich zu bestimmten Problemstellungen einen Sparringspartner zu suchen. Der neutrale Blick von außen ist oft Gold wert.

Fazit

Trotzdem ist wichtig zu beachten: Nicht alle Probleme der Mitarbeiter sind in der Führung des Unternehmens zu suchen. Ich arbeite seit vielen Jahren in verschiedenen Unternehmen und es haben nicht alle eine schlechte Führungs- oder Unternehmenskultur. Manche Probleme liegen auch am Menschen selbst und dessen Umfeld. Die kann ein Unternehmer nicht lösen. Trotzdem muss die Führungskraft sie erkennen und ihr Verhalten darauf abstimmen.

Doch auch die Mitarbeiter selbst müssen etwas zur Problemlösung beitragen. Manchmal liegt es auch an ihnen selbst und ihren Erwartungen. Das zeigt mal wieder das klassische Beispiel des Obstkorbes: Der Wunsch nach einem Obstkorb wird geäußert. Doch sobald das Unternehmen diesen erfüllt, wird der Allergiker sich beschweren, dass Äpfel darauf sind und dem Fleischesser fehlt die Wurst…

Ich sehe bei den Mitarbeitern oft eine hohe Problemorientierung, wenig Lösungsorientierung und wenig Wertschätzung für die Dinge, die sie haben und die gut laufen. Die Wertschätzung, die dem Mitarbeiter entgegengebracht wird, muss von ihm gesehen werden wollen. Das wiederum hat wenig mit dem Unternehmen zu tun, sondern mit der Haltung des Menschen selbst.

Für mich ist die Lage oft 50/50. Mangelnde Reflexionsfähigkeit zum eigenen Verhalten und die Folgen dessen sind oft ein Problem. Lernfelder gibt es auf beiden Seiten und diese müssen erkannt und bearbeitet werden. Die Sensibilisierung für das eigene Verhalten als Startschuss für Reflexionsfähigkeit, gute Kommunikation und Wertschätzung ist oft ein Schlüssel.

Egal ob als Führungskraft oder Mitarbeiter: Ich möchte dich ermutigen, dich und dein Verhalten mehr zu reflektieren! Manchmal helfen dabei ein paar gute Fragen an dich selbst. Nimm dir doch mal einige davon vor und beginne, dich bewusst mit dir, deiner Einstellung und deinem Handeln auseinanderzusetzen!

  • Wo bin ich ein Vorbild und wo nicht?
  • Was möchte ich unbedingt lernen? Was können andere von mir lernen?
  • Was würde ich machen, wenn es kein „aber“ gäbe?
  • Was bedeutet für mich Erfolg?
  • Was sind meine Werte und lebe ich sie?
  • Stimmt mein Selbstbild mit meinem Fremdbild überein?
  • Bin ich eher problemorientiert oder lösungsorientiert?
  • Wo bin ich ein Teil der Lösung und wo ein Teil des Problems?
  • Warum habe ich in dieser Situation kein konsequentes Feedback gegeben?
  • Habe ich durch mein Verhalten den/die anderen geschont oder mich selbst?
  • Welche Konsequenzen hat mein Handeln?
  • Wie wirkt sich meine Art zu kommunizieren auf unser Miteinander aus?

Die Konsequenzen deines Handelns zu überdenken und die Verantwortung für deine Gefühle zu übernehmen ist praktisch gelebte Wertschätzung an andere und an dich selbst.

Autor
Heike Eichholz arbeitet als Trainerin und Coach für Führungskräfte und Teams. Seit über 30 Jahren ist sie Unternehmerin und liebt es, Menschen und Unternehmen durch ihre Herausforderungen zu begleiten und starke Beziehungen zu schaffen.
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QUELLE: BDEW Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V.